Die letzten drei Jahre, seit beginn der Corona Krise hat sich unsere Umwelt und unser handeln stark verändert. Viele hat es im beruflichen Bereich stark getroffen, im schlimmsten Fall durch Jobverlust, aber auch Kurzarbeit bedeutet massive Einschränkungen im Alltag. Die finanziellen Mittel spielen bei unserem Hobbie ja keine unwesentliche Rolle, zumal gutes Futter und Tackle für unser Fachgebiet, dem gezielten Karpfenangeln unerlässliche Dinge sind, welche erst zum gewünschten Erfolg führen – wenn wir den aktuellen Katalogen und Marketingkampagnen glauben schenken.
Unsere alltäglichen Gewohnheiten haben wir der Situation angepasst, denken wir an geschlossene Geschäfte welche uns zum Onlinehandel lenkten. So waren wir sehr viel im Internet unterwegs und recherchierten und kauften was nötig war – oder wir einfach haben wollten. Wir waren es gewohnt, neue Dinge zu kaufen, weil diese eben besser waren. Zumindest wurde es so vermittelt. Wir konnten bereits vor der Corona Pandemie den Wildwuchs am Tacklemarkt mit unzähligen neuen Herstellern beobachten. Bei den Futtermittelherstellern war es genauso. Der Markt ist aus meiner Sicht bereits derartig voll mit Tackle, welches sich bei genauerer Betrachtung kaum in der Funktion von anderen Herstellern unterscheidet. Wenn wir heute beim Fachhändler vor Ort meterweise Lochwände in den schrillsten Farben vor uns haben und wir schon fast überfordert sind, mit den letzten Errungenschaften des Karpfenangelns Schritt zu halten. Sehr viele Produkte haben keine praktische Grundlage, da kommt schon manchmal die Frage auf, wozu viele Dinge eigentlich verwendet werden. In dieser Branche war es immer wichtiger, neue Innovative Produkte auf den Markt zu bringen. Wie sinnvoll diese sind liegt im Auge des Betrachters. Es gibt einfach für alles Befürworter und Gegner, diese sind schön in den Beitragsdiskussionen sozialer Netzwerke zu beobachten. Das Highlight in meiner geistigen Sammlung ist der automatische Zippöffner für unser Zelt. Aber auch PVA Beutel mit Geschmack haben bestimmt ihre Käufer gefunden. Als nächstes kommt eine Liege, welche uns zum Rod Pod fährt.
Ich will damit nur sagen, das es nicht wirklich Angler sind welche neue Produkte entwickeln, sondern einzelne Unternehmen, die uns dann mit allen möglichen Marketing Gags unsere Aufmerksamkeit stehlen wollen. Ob sinnvoll oder nicht wissen wir dann selbst nach dem Kauf und unser Tackle verbraucht immer mehr Platz. Nach dem dritten Rod Pod, der vierten Liege und den fünf Bivvies und Schirmzelten im Sortiment, gibt es wieder was neues – was besseres..
Aber wir kauften was wir haben wollten, nicht was wir benötigten. Wir wurden in den letzten Jahrzehnten dazu erzogen. So hat auch die Angelbranche darauf reagiert und unsere Gier nach neuen Produkten befriedigt – bis hin zu Rigs welche aus fünfzehn Einzelteilen bestehen – natürlich weil diese fängiger sind.
Und die sozialen Medien boomten nur so von Stars und Sternchen, es gab ja auch viele die durch die Lockdowns viel Zeit hatten und diese am Wasser verbrachten. Konnten wirklich viele und gute Fische fangen und wurden auch mit tausenden von likes, Herzchen sowie Kommentaren belohnt. Das eigene Ego war im siebenten Himmel und der Standardsatz eines Karpfenanglers lief durch das Gehirn – „alles richtig gemacht“. Es war ja keiner da der einem Widersprach, die paar negativen Kommentare waren ja nichts zu den ganzen positiven digitalen Rückmeldungen.
Aber auch die Futtermittelhersteller erlebten in den letzten Jahren wahre Sternstunden in Form von Umsatzrekorden. Die Hersteller, welche ihre Produkte auch Online im Direktvertrieb anboten profitierten wie nie zuvor. Der Einzelhandel war geschlossen oder nur eingeschränkt verfügbar. Also boomte der Onlinehandel. Es war nicht einmal wirklich nötig, neue Produkte zu kreieren, da das bestehende Angebot die Bedürfnisse bereits abdeckte. Die Rohstoffpreise waren relativ günstig, über die Jahre hinweg blieben diese stabil und so hatten auch die Massenproduzenten von billigen Baits ihre Abnehmer. Tonnenweise Futter zu Discountpreisen wurde gekauft und zu einem Großteil in unsere Gewässer gekippt. Auch hier wurde gekauft, was gerade angesagt war. Nehmen wir uns selbst an der Nase und zählen die PoP-Up Dosen, Dips, Liquids usw. in unserer Sammlung.
Doch das Jahr 2022 hat alles verändert. Bereits im Herbst 2021 hat sich ein gewisse Preissteigerung bemerkbar gemacht. Hersteller waren plötzlich mit steigenden Rohstoffpreisen konfrontiert. Zuerst nichts ungewöhnliches, also kein Grund zur Sorge. Lieferengpässe waren wir bereits gewohnt. Die Saison lief für viele wie gewohnt an, bis mit Beginn des Krieges in der Ukraine die Energiekosten explodierten. Daraus resultierend stiegen in allen Bereichen die Preise um ein vielfaches. Zum ersten Mal waren wir im Privatbereich massiv davon betroffen und das Geld, welches für unsere Freizeit zur Verfügung stand, wurde weniger, auch wussten viele nicht, wie sich die Situation weiter entwickeln würde.
Die ersten Einbrüche im Handel waren im Februar zu erkennen, im Vergleich zum Vorjahreszeitrum. Als die Lage im März und April schlimmer wurde, die erwarteten Umsätze im Frühjahr ausblieben, wusste bereits jeder, das die Teuerung in jedem Bereich bereits voll durchgeschlagen hatte. Die Situation besserte sich über die Sommermonate, doch wurden bei weitem nicht die Vorjahreszahlen erreicht.
So begann plötzlich auch ein Umdenken. Obwohl nicht direkt gewollt, so haben sich doch sehr viele gut überlegt, wo sie ihr Geld ausgeben. Plötzlich wurde nicht mehr gekauft was wir haben wollten, sondern der Wert auf Dinge gelegt, welche wir auch wirklich brauchen konnten. Klar war es auch ein Prozess der vielen zuerst nicht leicht viel. Aber jetzt, ein Jahr später können wir sagen, das wir überlegter Einkaufen als zuvor.
Fachhändler spüren das natürlich am stärksten, zuvor noch gute Geschäfte in diesem Segment und dann der massive Einbruch. Auch Futtermittelhersteller kamen unter massiven Zugzwang. Rohstoffe haben sich zum Teil im Preis verdreifacht. Viele Rohstoffe sind bereits für den Angelsport untragbar teuer geworden – Beispiel Kasein, eine sehr beliebte Zutat bei Boilieherstellern – der Preis stieg von ca. 8 Euro/kg auf 25.- Euro/kg. Und ich denke kein Kunde zahlt plötzlich wegen einer Zutat einige Euro mehr für seine Boilies. Auch ist die Zeit der billigst Boilies zum Kilopreis von ca. 3.- Euro vorbei. Hat natürlich auch insofern Vorteile, weil durch unser Zutun die Gewässer nicht unnötig belastet werden.
Wir haben als Futtermittelhersteller bemerkt, das Kunden indessen mehr Wert auf Qualität legen. Es wurden lieber paar Euros mehr für weniger, aber dafür gut aufeinander abgestimmte Produkte Wert gelegt. Das zeigt uns, das wir uns bereits genau überlegen, wofür wir unser Geld ausgeben wollen. Im Herbst überrollte uns der Markt mit einer Aktion und Preisschlacht nach der anderen, die gewünschten Erfolge brachten diese nicht.
Klar war das ein oder andere Schnäppchen dabei, aber auch hier wurde zuvor gut überlegt, bis die Kaufentscheidung fiel.
Wir haben erkannt, das wir eigentlich schon jetzt bestens ausgerüstet sind und wir sehen eigentlich keinen Einbruch in unseren Fangerfolgen. Wir erlebten auch in diesen Zeiten unsere Sternstunden.
Ich denke jetzt ist endlich der Zeitpunkt gekommen, wo wir uns vom unnötigen Massenkonsum verabschieden sollten, zeitgleich aber nicht das Gefühl zu haben, sich einschränken zu müssen. Oftmals verursacht die Industrie bleibende Schäden an Umwelt und Natur und das kann nicht in unserem Interesse liegen, da wir ja unserer Leidenschaft in einer aktiven Natur nachgehen wollen. Auch sollten wir die Dinge schätzen, welche wir vor unserer Haustüre haben. Wir leben in einer großteils noch Intakten Umwelt mit herrlichen Fischen. Wir dürfen auch niemals vergessen, das es sich um Lebewesen handelt und wir die nötige Sorgfalt und den Respekt entgegenbringen müssem. Auch der Klimawandel sollte uns zu denken geben. Ich habe selbst miterlebt wo die Gier nach Anerkennung in sozialen Netzwerken größer war, als die Wertschätzung unseres Hobbies. Da wurden Fische unmittelbar nach dem Fang gepostet, weil es einfach unerträglich war, wertvolle Minuten zu vergeuden, um uns die digitale Anerkennung zu holen. Ich sage nur, diese Einstellung ist genauso vergänglich und schnell vorüber, wie das endlose durchscrollen durch diese Beiträge. Anhand der Masse an Eindrücken erinnert es mehr an Eintagsfliegen als an Pioniere der Szene.
Ich für mich kann es kaum erwarten wieder am Wasser zu sitzen, die Ruhe zu genießen und den Alltag hinter mir zu lassen. Es geschieht so viel in unserem Umfeld, die Zukunft bereitet jeden von uns Sorgen. So schaffe ich es doch, mich für einige Stunden zurückzuziehen und mich auf das zu konzentrieren, was für mich wichtig und wertvoll ist. Wenn ich dann noch erfolgreich bin, den Fisch erfolgreich gelandet habe, ich noch die Aufregung und Freude in mir verspüre, dann ist es genau der Moment, den ich niemals wieder vermissen will.
Vielleicht sollten wir einfach mehr hinterfragen, beginnend bei unserem eigenen handeln. Unsere Umgebung bewusster wahrnehmen und schätzen lernen. Sich absetzen von den geglaubten digitalen Zwängen.
Der heutige Markt ist leider dazu bestrebt Gewinne zu maximieren. So wird es nicht lange dauern, bis wir uns in alten Mustern wieder finden. Dann, wenn wir uns an die gestiegenen Preise gewöhnt haben, doch die ein oder andere Marketingbotschaft in unserem Hirn ihr Ziel erreicht und wir uns der Kaufleidenschaft für neue Dinge hingeben, stellen wir fest, das sich eigentlich nichts geändert hat.
Also wann ist der richtige Zeitpunkt, wenn nicht jetzt. Behalten wir diese Zeit in unserer Erinnerung und finden den richtigen Weg, um auch in Zukunft sorgfältig mit unserer Natur und den Ressourcen umzugehen. Veränderungen wie jetzt sind niemals einfach, beinhalten viele Entbehrungen, jedoch nur aus Gewohnheit und Bequemlichkeit.
Ich bin zuversichtlich auch dieses Jahr eine geniale Saison mit wunderbaren Momenten zu erleben. Abseits von Zwängen und Klischees im Freundeskreis Freude zu teilen und diese unvergesslich werden lassen. Ohne dem Gefühl, etwas verpasst zu haben. Ich Gegenteil, dankbar zu sein für Momente wie diese.